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78 Vernissage: Mobile Welten mit Susan Sieg & Ilsemargret Luttmann

Mittwoch, den 19.Oktober 2022 fand eine tolle und erfolgreiche Vernissage in der Kunstgalerie Nissis Kunstkantine mit vielen Kunstinteressierten statt.
Es war ein unglaublich schöner Abend mit so vielen tollen Gästen und den wunderbaren Künstlerinnen Ilsemargret Luttmann & Susan Sieg. Es handelt sich sogar um Frau Siegs zweite Ausstellung in Nissis Kunstkantine.
Besonderes Highlight der Vernissage war die Bemalung einer der legendären Nissi-Anzüge als Liveperformance der Künstlerinnen vor Ort. Es ist ein wahres Unikat entstanden.

Frau Luttmann hat den Anzug mit traditionellen afrikanischen Mustern, dem sogenannten Mgbolodi-Muster verziert und Frau Sieg den Rücken mit zwei abstrakten Figuren geschmückt. Weitere abstrakte Kunstwerke von Frau Sieg wurden noch am Morgen der Vernissage von Nissi auf den Anzug gebügelt.

Livepainting auf Nissis Anzug von Frau Luttmann

Es war ein erfolgreicher Abend. Es gab ein regelrechtes Blitzgewitter von Fotografen, wie Jerzy Pruski und Marek Audirsch.

Die Kunstwerke der beiden Künstlerinnen können noch bis zum 23. 11. 2022 in Nissis Kunstkantine bewundert werden.


Auszüge aus der Laudatio von Bernd Roloff:

Die Ausstellung hat den Titel

MOBILE WORLDS – MOBILE WELTEN

Neben dem Kunstgenuss hat eine Kunstausstellung und vor Allem die Vernissage den Grund, Kaufentschlüsse herbeizuführen. In unserem Künstlerfragebogen stellen wir als Erstes den Künstlern immer die Frage, ob sie sich schweren Herzens oder leicht von ihren Werken trennen, wenn diese verkauft werden.

In den vergangenen 77 Ausstellungen gab es da ganz unterschiedliche Aussagen, z.B.:

„Wenn ein Gemälde die Werkstatt verlässt, ist die Welt nicht mehr in Ordnung“.

Andere Künstler machen Einschränkungen hinsichtlich charakterlicher Stabilität des Käufers oder knüpfen Anforderungen hinsichtlich des Ortes, an dem das Gemälde aufgehängt werden soll. Das Gemälde müsse seine volle Strahlkraft entwickeln, sonst hätten die Mühen kein Sinn gehabt.

Ich darf Ihnen heute die frohe Kunde mitbringen, dass sich beide Künstlerinnen eher leichten Herzens von ihren Werken trennen. Greifen Sie also zu, wenn Ihnen danach ist. Das Leben ist keine Generalprobe. Die Dinge wollen erledigt doch sein.

Leichte Panik beschlich mich, als ich bei Ilsemargret Luttmann las: „Meine Arbeiten haben eine politische Aussage“. Allerdings schrieb sie nicht dazu, welche Aussage das denn wäre.

Zur Auffassung der Werke von Ilsemargret in dieser Ausstellung heißt es wie folgt:

„Im Fokus stehen die Inszenierungen junger AfrikanerInnen des Kontinents oder der Diaspora, die sich, dank der digitalen Medien, global zur Schau stellen und dabei mit den Erwartungen, Vorurteilen, Ängsten des white gaze spielen, sie sogar provozieren oder aber auch gänzlich neue, eigene Ästhetiken entwickeln bzw. damit experimentieren.“

„white gaze“, gaze geschrieben mit g/a/z/e, der weiße Blick, was soll denn das nun wieder sein? Es ist der weiße Betrachter. Man kann sagen, es ist ein bestimmtes Vorverständnis. Natürlich weißt jeder von uns den Vorwurf eines, wenn auch subtilen, Rassismus von sich.

Allerdings muss ich sagen, dass ich sehr erstaunt war, als ich neulich eine Serie im Fernsehen sah. Der Sender war selbstverständlich Arte. Wir Kunstbeflissenen sehe ja nur Arte und Phönix.

Verstört kann nicht nur der alte weiße Mann sein, sondern auch die Kinder aus den Elbvororten mit geringem Migrationsanteil. Arielle die Meerjungfrau ist vor Kurzem eine mermaid of color geworden.

Als Auseinandersetzung mit dem „white gaze“ bekommen die Werke von Ilsemargret Luttmann irgendwie doch einen politischen Schwung, nicht wahr?

Nehmen wir doch einmal das Werk von Ilsemargret  „Confinement et mobilité“, zu Deutsch „Gefangenschaft und Mobilität“ und bleiben im „white gaze“. Was haben wir denn da?

Das folkloristisch angetane Motiv, im Hintergrund die Rollschuhe. Gleich fährt sie im wallenden Kaftan mit den Rollschuhen davon. Oder ist das etwa ironisch gemeint als Anspielung auf den „white gaze“? Entscheiden Sie!

Jedenfalls lassen sich Rollschuhe wunderbar mit dem Titel dieser Kunstausstellung vereinbaren, der lautet nämlich zur Erinnerung „Mobile Worlds – Mobile Welten“.

Aufgeschlossen für die Abstraktion sollte man bei den Werken von Susan Sieg sein. Susan wurde von der Kunstkantine schon im Januar 2017 in einer Einzelausstellung gewürdigt. Susan wird vielfach international ausgestellt.

Nun ist sie mit ihren durchweg abstrakten Werken zu meiner großen Freude wieder zu Gast bei uns. Ein Diptychon von ihr hängt übrigens im Wohnzimmer von Nissis Estate, der Great Hall of Nissis Mansion.

Diptychen oder Diptycha sind zwei Gemälde, die nebeneinander gehängt werden sollen, weil sie in Beziehung stehen.

Ich erlaube mir jetzt mal, das Diptychon von Susan herauszustellen, das ich absolut hinreißend finde. In einer Anleitung zur Wahrnehmung abstrakter Kunst heißt es wie folgt:

Ignorieren Sie den Titel! In den meisten Fällen haben abstrakte Bilder einen äußerst vagen Titel oder nur eine Nummer. Lassen Sie sich davon nicht beirren. Die meisten abstrakten Künstler verwenden ganz bewusst keine aussagekräftigen oder gar werbenden Bezeichnungen. Nur in manchen Fällen können sie auch hilfreich sein, um Ihre Vorstellungskraft in eine gewisse Richtung zu lenken.“

Diese beiden Gemälde gehören schon von ihrer Anmutung einfach zusammen:

Sie haben das gleiche Format, eine radiante Übereinstimmung in den Farben und tragen Affirmationen mit Ölstift. Einfach ein imposantes Seherlebnis auf 2 Ebenen.

Hier ein Zitat von Susan:

Meine Bilder sollen einladen, über die Situationen, in denen Menschen aufeinander treffen, nachzudenken. Nähe und Distanz, Kommunikation, Freundschaft oder Trennung.“

Es ist meine Meinung, dass abstrakte Kunst Zeit braucht, um sie wahrzunehmen. Mehr Zeit als die durchschnittliche Betrachtungszeit von Kunstwerken in Museen. Die beträgt nämlich nur 11 Sekunden, wie eine Studie der Universität St. Gallen festgestellt hat. In 11 Sekunden können Sie einem abstrakten Werk nicht in die Seele schauen.

Dieses Diptychon wird von Susan gar nicht als Diptychon angeboten. Die Titel lauten „Nah bei dir 1 und 2“. Da schlägt doch bei mir der Romantiker durch. Stellen Sie sich doch mal vor, sie kaufen beide Werke. Eins behalten Sie und Eins verschenken Sie als Manifest innerer Verbundenheit.

Bei abstrakter Kunst, meine Damen und Herren, ist es wichtig, sich auf das Gemälde einzulassen. Manche Werke sprechen einfach nicht zu einem selbst. Die Geschichte der Abstraktion beginnt mit einem Drama. Kunsthistorisch gilt heute Hilma af Klint als erste abstrakte Künstlerin. Sie zeigte ihre Werke Rudolf Steiner, dem Boss der anthroposophischen Gesellschaft.

Der hielt nichts von ihrer Malerei. Als Reaktion darauf verschwanden ihre Werke im Keller und Hilma malte 4 Jahre gar nichts mehr. Testamentarisch verfügte Hilma, dass ihre Werke erst 20 Jahre nach ihrem Tod gezeigt werden dürften. Ein einmaliges, umfangreiches Werk geriet in völlige Vergessenheit und Kandinsky konnte behaupten, dass er das erste abstrakte Werk geschaffen habe.

Das passiert, wenn sich Jemand als unzugänglich für die Abstraktion erweist. Wenn das bei Ihnen der Fall ist, dann legen Sie sich am Besten ein paar passende Phrasen für die Vernissage zu, z.B.:

„Die Gute hat etwas Animalisches, das aber unglaublich human abgefedert ist.“ Oder: „Diesen elegischen Pinselstrich, gepaart mit dieser Wucht der Imagination, macht ihr niemand nach.“ Oder auch: „Kühne Mischung aus Schwere und Leichtigkeit – einfach genial.“

Ich selbst kann sagen, dass mich das Gemälde von Susan mit dem Titel „Gedanken am Morgen“ fasziniert.

Erstmal ist für mich klar, dass das Gemälde meine Gedanken zum Gegenstand hat. Die Gedanken sind noch nicht klar strukturiert, aber es bilden sich Konturen, die aus dem monochromen Hellblau langsam hervortreten. Es scheint sich um größere oder kleinere Fragestellungen zu handeln. Wie sieht die To-do-Liste im Endeffekt aus?

Wer mich kennt weiß, dass ich alles andere als ein Morgenmensch bin. Vor 11:00 Uhr morgens bin ich praktisch unfähig, Entscheidungen zu treffen. Mit der fehlenden Gedankenstruktur erklärt sich das Werk solidarisch. Es geht dem Werk genauso.

Bernd Roloff


Impressionen von der Vernissage am 19.10.2022:

Nissi, Künstlerin Ilsemargret Luttmann, Bernd Roloff & Künstlerin Susan Sieg bei der Vernissage am 19.11.2022
www.nissis-artgallery.com/atelier/susan-sieg/ zu Susan Siegs ONLINE Atelier

www.nissis-artgallery.com/atelier/ilsemargret-luttmann/ zu Ilsemargret Luttmanns ONLINE Atelier

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